Monday, October 23, 2006

Julie

Ich sitze jetzt bei Greg - ... und er schenkt mir ein Glas nach dem Nächsten ein. Ich vermute mal er will mich einfach nur abfüllen.

Aber ich fange am besten etwas weiter vorne an ...

Greg hatte mir also ein Taxi bestellt und als es kam humpelten wir beide zur Tür, was für ein Bild für die Götter müssen wir gerade abgeben. Er mit seinem Stock, ich mit der Krücke, die er mir wieder aufgedrängt hat.

Bevor er die Tür öffnete und mich gehen liess, zog er mich noch an sich, schaute mir tief in die Augen "Du weißt wo du hin kannst, wenn es zu schlimm wird?" Ich nickte ihm nur zu und er nickte zurück. Diese Normalität hat mir wirklich geholfen.

Im Taxi dann grübelte ich vor mich hin und machte wohl auch ein entsprechendes Gesicht. Der Taxifahrer fragte irgendwann "Fahren Sie auf eine Beerdigung?" Ich schaute nur kurz zu ihm rüber "Höchstens auf meine" murmelte ich vor mich hin. Wieder ein Blick von der Seite und ich war dankbar, dass er schwieg. Beim Aussteigen dann klopfte er mir noch auf den Rücken "Das schaffen Sie schon, Mann." Ich blickte ihn an und lächelte halbherzig.

Julie musste das Auto gehört haben, denn sie öffnete die Tür und schaute mir zu wie ich den Weg hochhumpelte. "Oh James, du hast eine Krücke!" Ich nickte nur "Hi, Julie" und wollte ihr einen Kuss geben, sie drehte leicht den Kopf zur Seite und gab mir einen Kuss auf die Wange.

Aha, dachte ich bei mir - wieder ein anderes Verhalten als heute morgen. Sie schaute an mir runter "Du hast gar keine Tasche dabei?" Ich nickte "Naja, war eh nicht viel was ich mit hatte." "Hmm" kam von ihr und dann endlich meinte sie "Ach Gottchen wir stehen immer noch hier draussen, komm lass uns reingehen, ich hab es uns schon gemütlich gemacht." Ich schluckte leicht und humpelte hinter ihr her.

Die Vicodin hatten wunderbar gewirkt und wenigstens hatten sie mich soweit runter gefahren, dass ich ziemlich ruhig war. Gemütlich bedeutete bei Julie seit neuestem wohl ein recht hell erleuchtetes Wohnzimmer und interessiert nahm ich einen kleinen Strauss gelbe Rosen wahr. Sie lächelte und deutete auf die Blumen "Die hab ich für dich geholt, als Genesungswünsche."

Ich schälte mich aus der Jacke und warf sie über einen Stuhl und blickte auf die Rosen. Prompt fiel mir das Buch zur Blumensprache ein - was bedeuteten gelbe Rosen nochmal? "Das ist lieb von dir" sagte ich und lächelte sie an.

Sie lächelte zurück aber irgendwie erreichte das Lächeln nicht ihre Augen. "Was willst du trinken? Ich hab mir einen Martini gemacht. Willst du auch einen?" Ich zog eine Augenbraue hoch - Martini? Seit wann trank sie denn so etwas ...
"Nein ich denke ich werde Wasser trinken" meinte ich nur. Dann ließ ich mich auf die Couch fallen und Julie ging und holte mir Wasser.

"Danke" sagte ich als sie mit dem Wasser zurückkam. Sie lächelte und setzte sich auf den Sessel. Etwas unbehaglich schwieger wir zunächst, bis ich schließlich das Schweigen brach "Julie, was ist los?" Sie wollte erst abstreiten, dass was nicht stimmt - aber ich schaute sie bestimmt an "Was ist los?"

Sie blickte auf ihre Hände und drehte an an einem Ring, beim genaueren Hinsehen sah ich, dass es nicht unser Ehering war, den sie sonst immer getragen hatte. Nein es war ein neuer Ring ... Ich atmete tief ein und lehnte mich zurück, sie schaute mich dann an "Ich hab jemanden kennengelernt, Jim." meinte sie dann leise. Ich nickte, "Ja das weiß ich ja schon. Aber du meintest es wäre nichts..." Sie nippte an ihrem Drink und errötete leicht "Es war auch nichts. Aber du warst ja auch nie für mich da" fing sie dann aufgebracht an "immer nur die Klinik und wenn es nicht die Klinik war, dann war es House!" Ich senkte schuldbewußt den Kopf - sie hatte Recht, sie hatte sogar verdammt recht.

"Und dann waren da noch die Frauen mit denen du dich getroffen hast ..." Ich schnaufte "Ich hatte während unserer Ehe nie eine Affäre!" "Ja aber für wie lange noch? Schau doch mal an was aus uns geworden ist!" Sie wurde immer lauter und aufgebrachter und ich saß die meiste Zeit nur da und schwieg. "Du sagst gar nichts dazu, willst du nicht einmal um mich kämpfen?" fragte sie dann mit zittriger Stimme.

Ich verbarg mein Gesicht kurz in meinen Händen und blickte sie dann an "Nein" sagte ich dann leise. Sie schnappte entsetzt nach Luft und wollte dann was sagen, ich deutete ihr kurz zu schweigen "Du hast dich doch eh schon entschieden, Julie. Sieh dich an, du warst beim Friseur, trägst neue Klamotten und einen Ring, den ich dir nicht geschenkt habe. Wieso sollte ich dann noch um dich kämpfen? Sicherlich wartet dein Freund nur auf deinen Anruf ..." Insgeheim dachte ich an Greg und bekam ein leicht schlechtes Gewissen.

Julie schaute mich nur mit großen Augen an und begann dann zu weinen "Oh Jim, wieso ist es nur soweit gekommen?" Ich nahm Sie in den Arm "Ich weiß es nicht ..." Sie ließ sich kurz von mir trösten und ich küsste sie auf die Stirn. "James" sie räusperte sich "Shhht" sagte ich nur und stand auf "Ich werde schon gehen und meine Sachen packen." Sie nickte "Danke" flüsterte sie leise. Ich nickte ihr zu und humpelte dann die Treppe hoch, oben ließ ich mich auf unser Bett fallen schaute mich um, und begann zu weinen.

Wieso nur musste alles immer so verdammt schwierig sein? Einige Minuten saß ich so da und grübelte vor mich hin. Von der Treppe her vernahm ich Julies Schritte, sie zögerte kurz und klopfte dann an die Tür. "Ja?" Sie trat ein und blickte mich an "Es tut mir leid, Jim" ich nickte nur "Mir tut es auch leid, Julie" - Sie schaute mich an und nickte dann zurück, drehte sich um und schloss die Tür hinter sich.

Langsam fing ich an einige Sachen von mir in einen Koffer zu packen. Für den Anfang musste das reichen. Als ich soweit mit packen fertig war, griff ich zum Telefon und bestellte mir ein Taxi. Dann ging ich mit Koffer und Krücke langsam die Treppe herunter.

Julie war gerade am telefonieren und legte schnell auf als sie mich sah. Ihr Blick zeigte mir genau mit wem sie telefoniert hatte. Gegen meinen Willen wurde mir schwer ums Herz, wieder einmal hatte ich es geschafft eine Ehe zu zerstören. "Wo gehst du jetzt hin? Ins Hotel?" Ich schüttelte den Kopf "Nein ich werde wohl zu Greg gehen." meinte ich nur und sie blickte mich fragend an. "Zu Greg?" fragte sie dann flüsternd, ich schaute sie an und nickte.

"Dann weiß ich ja wo ich dich finden kann" meinte sie dann plötzlich trocken. Ich nickte zögerlich, "Ja". Dann öffnete ich die Tür und zog sie hinter mir ins Schloss. Bei dem leisen Schnappgeräusch zog es mir das Herz zusammen.

Mein Auto stand ja immer noch am Parkplatz des PPTH - schon seit Tagen - somit brauchte ich mir darum keine Sorgen machen. Einsam saß ich auf meinem Koffer in der Einfahrt und wartete auf das Taxi.

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